Braucht man Grödel und für was eigentlich?
Lange Zeit habe ich die Verwendung von Grödel für überflüssig gehalten. Meine persönliche Meinung dazu hat sich mittlerweile um 180 Grad geändert: Ich gehe bei rutschigen Stellen nicht mehr ohne Grödel wandern. Bin ich mit dieser Einstellung alleine? Sehen das andere Menschen auch so? Ich wollte das wissen und habe beim Kuratorium für Alpine Sicherheit nachgefragt. Als „Sicherheitsexperten“ am Berg kennen sie sich am besten aus. Hier das Interview mit Judith Zauner.
In welcher Funktion bist du tätig?
Ich leite die Geschäftsstelle des Österreichischen Kuratoriums für Alpine Sicherheit (ÖKAS).
Als gemeinnütziger Verein, sehen wir unsere Aufgabe darin, als unabhängige Arbeitsplattform rund ums Thema Sicherheit im Bergsport zu agieren. Mit Hilfe unserer zahlreichen Mitgliederinstitutionen und Expertenmitglieder versuchen wir, das umfangreiche Fachwissen zu bündeln, einen regen Meinungs- und Erfahrungsaustausch zu ermöglichen, Projekte im Bereich der alpinen Sicherheit anzustoßen und zu unterstützen und in gemeinsamer Sache ein fundiertes Wissen nach außen zu kommunizieren.
Wie viele Unfälle passieren durchschnittlich pro Jahr in den Alpen?
Alpenweit viel mehr, als wir erfassen können. Aber im Verhältnis zu der Anzahl an Menschen, die sich in den Bergen bewegen, sind wir froh, dass die Alpin-Unfallzahlen gesamtgesehen gering sind.
Gemeinsam mit der Alpinpolizei werten wir die jährliche Alpin-Unfallstatistik für Österreich aus. Das sind jene Unfälle in Österreichs Bergen, bei welchen ein Alpinnotruf abgesetzt wird bzw. die Alpinpolizei zum Einsatz kommt. Das umfasst Notfälle mit Verletzten, Unverletzten und Todesfälle. Natürlich gibt es darüber hinaus zahlreiche Unfälle, die in unserer Datenbank nicht verzeichnet sind (beispielsweise Verletzte, welche selbstständig ins Krankenhaus fahren/ gefahren werden). Unsere Erfassung ist valider, je schwerer der Unfallhergang ist.
In unserer Datenbank wurden in den letzten zehn Jahren im Schnitt 11.500 Verunfallte (also Tote, Verletzte, Unverletzte) pro Jahr verzeichnet, bei durchschnittlich 8.200 aufgenommenen Unfällen im Jahr.
Was ist die Hauptursache der Unfälle in den Bergen?
Sowohl im Winter als auch im Sommer ist die Hauptunfallursache mit tödlichem Ausgang eine Herz-Kreislauf-Störung. Beim Wandern und Bergsteigen sind Sturz, Stolpern und Ausgleiten zu etwa 75% die Hauptverletzungsursache, der Großteil dabei im Abstieg. Selbst beim Rodeln ist das, gleich nach Kollisionen, eine der Hauptunfallursachen (knapp 30%).
Wie könnte man Unfälle vermeiden?
Manche Alpinunfälle würden sich mit sehr einfachen Maßnahmen vermeiden lassen, bei anderen ist es Pech zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein. Notfälle am Berg können durch eine sorgfältige Planung der Route inklusive des Einplanens von genügend Zeitreserven und der Berücksichtigung der Anforderungen minimiert werden.
Dabei ist es wichtig, die Route und auch die Bedingungen genau unter die Lupe zu nehmen: Steilheit, Wegbeschaffenheit und Wetterverhältnisse. (Welches Schuhwerk benötige ich? Altschnee- oder Geröllfelder? Exponierte Stellen?). Im Frühjahr sind oft die trügerischen Verhältnisse morgens und abends, wenn der Boden noch bzw. wieder gefroren ist, verhängnisvoll.
Neben den persönlichen Voraussetzungen bezüglich des Könnens und der Kondition, ist auch die entsprechende Ausrüstung notwendig. Ein klassisches Unfallmuster ist das Ausrutschen auf (Alt-)Schneefeldern.
Wie sinnvoll hältst du den Einsatz von Grödel?
Grödel oder Spikes sind eine super Sache und bieten zusätzlichen Halt. Einerseits ist auf gefrorenen Schneefeldern eine gute Gehtechnik notwendig. Andererseits ist die richtige Ausrüstung ein Thema. Wenn man unsichere Verhältnisse erwartet, sollte man Grödel immer in den Rucksack packen. Sie passen auf (fast) jedes Schuhmodell, sind leistbar, haben ein geringes Packmaß und Gewicht und sind leicht in der Handhabung.
Für welche Zwecke sollten Grödel genutzt werden?
Wenn man zu einer Jahreszeit unterwegs ist, wo die Bodenbeschaffenheiten unterschiedlich sein können, beispielsweise bei einer Frühjahrswanderung wo morgens der Weg noch hart und eisig sein kann oder im Winter wenn man abends eine Rodelbahn raufstapft, bieten Grödel nur Vorteile.
Nichts einfacher, als diese sicherheitshalber dabeizuhaben. Grödel zahlen sich auch oft bei einigen Zu- und Abstiegen bei einem Klettersteig oder einer Klettertour aus. Vor allem in schwierigem, weglosem Gelände auf nassen Wiesen oder aperen Schotterrinnen bieten diese zusätzlichen Halt.
Für viele Unternehmungen ist ein leichtes Schuhwerk von Vorteil. Mit Spikes kann der Anwendungsbereich (für kurze Passagen) erweitert werden. Ab einem gewissen Punkt sollte man aber auf alle Fälle festeres Schuhwerk verwenden.
Braucht man im Sommer auch Grödel?
Kommt auf´s Wetter und die Verhältnisse an, in denen man sich bewegt. Das Queren von Schneefeldern wird oft unterschätzt. Wenn die Sonneneinstrahlung nicht ausreicht, um den Schnee aufzuweichen, rutscht man auf den harten, gefrorenen Oberflächen schnell aus. Stürze sind selten leicht zu bremsen, bis hin unmöglich. Grödel ersetzen jedoch keine Steigeisen – also sollte man für klassische Hochtouren im Sommer und Touren im steileren Gelände (mit Eis und Schnee) unbedingt auf Steigeisen mit Frontzacken zurückgreifen, um optimalen Halt zu finden.
Gibt es sonst noch etwas zu sagen?
Beim Kauf von Grödel ruhig darauf achten, sich hochwertige Produkte zuzulegen. Hochwertiges Material ist zwar minimal schwerer, aber dafür langlebiger. Am besten den Schuh beim Kauf mitnehmen und die Passform testen. Auf alle Fälle gleich mit Packsack verwenden, um die restliche Ausrüstung im Rucksack zu schützen.
Danke Judith Zauner für diese Informationen im Interview! In Zeiten von Corona haben wir dies digital per Email gemacht.
Bist du nun auch vom Einsatz dieser Bergsportausrüstung überzeugt? Wenn du mehr über die passenden Grödel wissen willst, empfehle ich dir meinen Grödel Test zu lesen. Hier vergleiche ich die unterschiedlichen Modelle: